Gedanken aus dem Jahr 1997
„Das ist aber ein hübscher Stern an Deiner Halskette! Wo hast Du den denn her“ fragt mich die Arbeitskollegin. „Das ist kein Stern, sondern ein Pentagramm“. „Hä?“ Ja, was ist eigentlich ein Pentagramm und warum trage ich es an einer Silberkette um den Hals? Schwer zu erklären, besonders jemandem, der sowas mit einem Christbaumstern oder einem jüdischen (sechszackigen!!!) Symbol verwechselt.
„Mami, machst Du mir bitte einen Schutzkreis vor dem Einschlafen, damit die bösen Träume nicht zu mir können?“ „na klar, mein Schatz, das mache ich doch jeden Abend für Dich: Luft aus dem Osten - im Süden das Licht - Wasser im Westen, im Norden der Stein - der Kreis, er soll geschlossen sein. Gute Nacht, meine Süße“ Meine Tochter ist sechs und erzählt im Kindergarten freimütig: „Meine Mama ist eine Hexe, aber eine liebe. Und ich bin auch eine.“ O weh, wie bringe ich meinem Kind eine weniger aufsehenerregende Formulierung bei?
„Was? Nächstes Wochenende soll ich Johanna nehmen, damit Du zum Beltane-Ritual gehen kannst? Feiert Ihr da wenigstens eine wilde, geile Orgie?“ Mein Ex-Mann hat es immer noch nicht kapiert und will es auch wohl nie kapieren.
Mist - hier im Hexenbuch steht, daß frau zum Zaubern unbedingt geriebenen indischen Hanf braucht (nein, nicht für den Joint!) Hab aber keinen. Geht`s vielleicht auch mit Salbei? Diese Kräuterkunde werde ich nie lernen!!!
Urlaub. Reise durch Deutschland. Straße der Weser-Renaissance. Lemgo. Eine besondere Touristenattraktion: Das Hexenbürgermeisterhaus, „der großartigste Steinbau des Lipperlandes“. Der Besitzer, Bürgermeister Hermann Cothmann, ließ 1665 bis 1681 rund 90 Menschen wegen Hexerei hinrichten (Polyglott Reiseführer Weserbergland) Heute beherbergt das Haus das Heimatmuseum der Stadt, ausgestellt werden Folterwerkzeuge und Prozeßakten. Mir wird schlecht, in meinen Ohren ist wieder das Johlen der Menge, in meiner Nase der Gestank verbrannten Fleisches, in meinem Nacken sitzt die Todesangst. Acht Millionen Opfer, fast alles Frauen. Gedemütigt. Gefoltert. Gequält. Geschunden. Ertränkt. Verbrannt. Vergessen?
„Stille Nacht, Heilige Nacht...“ Ich liebe Weihnachtslieder und der Besuch einer katholischen Christmette hat mich tief gerührt. Aber ich bin eine Heidin. Ich glaube nicht an den lieben Gott, der seine „Schäfchen“ bewacht, damit sie nicht sündigen und alle in den Himmel kommen. Ich glaube nicht an den lieben Gott, dessen Priester zwar keine Frauen haben, aber Waffen segnen dürfen.
Ich glaube nicht an diese Kirche, katholisch oder protestantisch, die den Mord an acht Millionen Frauen und Männern heute noch nicht bereut.
Ich bin eine Heidin, eine Hexe. Ich bin eine stolze, unabhängige, wilde Frau. Ich bin anders als Ihr, meine Freundinnen und Freunde und ich will es Euch gerne erklären, was mich und meinesgleichen von der Mehrheit unterscheidet. Und damit ich es nicht jeder und jedem einzeln erklären muß, will ich versuchen, es aufzuschreiben, so gut ich kann.
Die Erde und andere Heiligkeiten
Die Erde ist rund, hat zwei Pole und besteht zu 90 Prozent oder so aus Wasser, Da sind wir uns beide einig, oder ?
Die Erde ist mir heilig. Dir ist vielleicht Dein Feierabend heilig. Sankt Nikolaus ist ein Heiliger. Oder Mutter Teresa.
Heilig - das heißt verehrungswürdig. Ich verehre die Erde, sie ist meine und auch Deine Lebensgrundlage, im wahrsten Sinne des Wortes. Wir kommen nicht umhin, sie mit Füßen zu treten und sie zu beschmutzen. Auch ich fahre Auto, benutze Plastiktüten und esse ab und zu bei Mac Donald`s. Und manchmal setze ich mich auf die Wiese, lehne mich an einen Stein, umarme einen Baum und höre, was mir Wiese, Stein und Baum zu sagen haben. Sie murmeln und rauschen, erzählen mir von Feen und Elfen, sie beruhigen mich und geben mir die Gewißheit, daß sie mich tragen, halten, mir Kraft und Festigkeit geben. Wenn ich unruhig und nervös bin, stelle ich mich mit beiden Füßen fest auf die Erde und stelle mir vor, daß aus meinen Fußsohlen Wurzeln wachsen. Am Anfang erschien mir diese Vorstellung ziemlich absurd. Aber heute, nach jahrelanger Übung, spüre ich diese Wurzeln tatsächlich. Sie wachsen aus meinen Füßen, graben sich tief in den weichen Boden, durch Kies und Sand, durch Steine und Felsen. Immer tiefer in die Erde, bis sie den glühenden Erdmittelpunkt erreicht haben. Dann lasse ich alle Spannungen und Ängste, alles Schwere aus meinem Körper durch die Füße in meine Wurzeln fließen und an den Wurzeln entlang in den feurigen Erdkern. Dort wird alles, was mich beschwerte und behinderte, verbrannt und verwandelt und kehrt als neue, gereinigte Energie durch die Wurzeln hinauf in meinen Körper zurück und füllt jede meiner Zellen mit Kraft, Mut und Freude. Versuche es einmal, es wirkt!
Heilige Quellen kannten schon unsere Vorfahren vor tausenden von Jahren. Der „Hyllige Born“ in Bad Pyrmont heißt heute noch so. Heilende und heilige Wasser gibt es in Lourdes und unter dem Kölner Dom sprudelt auch eine heilige Quelle, zu der die Frauen der Vorgeschichte pilgerten. Denn Wasser reinigt und heilt, umspielt unseren Körper beim Baden, macht uns schwerelos und daß Tränen heilsam sind, wissen auch nicht nur Heulsusen.
Heilige Haine, Steine und Berge, heilige Quellen waren die Orte, an denen unsere Vorfahren ihre Götter verehrten. Bis die Missionare ihnen das Heil brachten, die Haine abholzten, Kirchen über den Quellen errichteten, Wallfahrten zu den großen Steinen verboten, den Menschen klarmachten, daß sie alle arme Sünder seien und ab sofort nicht mehr selbst denken dürften, da ja genau in der Bibel steht, was mensch zu tun und zu lassen hat. (Zum Beispiel andersgläubige abschlachten). Und das nicht nur in unserer Heimat wo der christliche König Karl der Große an einem Tag 4500 heidnische Sachsen köpfen ließ, sondern bekanntermaßen wurden Indianer, Inkas, „Neger“ und andere arme Heiden ebenso wirkungsvoll bekehrt und eben zum wahren Heil geführt. Ob sie wollten oder nicht.
Auch die Luft ist mir heilig. Sie füllt nicht nur meine Lungen mit dem lebensnotwendigen Sauerstoff, sondern pustet mich durch, wenn ich im Sturm auf dem Deich spazieren gehe. Der Wind weht mir alle Schwermut, Mutlosigkeit, Verzagtheit aus dem Kopf, macht mich frei für neue Ideen, Pläne und treibt mich vorwärts, ins Neue, Unbekannte.
Und dann das Feuer. Sonne, Kaminfeuer, Gartengrill, heimischer Herd, ewiges Licht. Das ist Kraft und Energie schlechthin. Ebenso lebensnotwendig wie gefährlich. So wie das Feuer der Liebe, Lust und Leidenschaft. Wobei wir schon beim nächsten Thema wären.
Jetzt wird´s unmoralisch
Bevor Mann auf die grandiose Idee kam, uns zu suggerieren, daß durch Evas verhängnisvollen Apfelbiß die Erbsünde in die Welt kam, war für uns Frauen die Welt noch in Ordnung.
Es gibt inzwischen Dutzende von sogenannten feministischen Archäologinnen, die für mich zweifelsfrei und logisch nachgewiesen haben, daß weder Eva aus Adams Rippe geschnitzt wurde noch unsere ersten Vorfahren eine Horde keulenschwingender, grunzender Affenmenschen war, wobei die Männer im dekorativen Bärenfell ihr Weib an den Haaren hinter sich herzogen. Vor Tausenden von Jahren gab es Hochkulturen, z.B. auf Malta, Kreta, in der Türkei und an vielen anderen Orten. An den Ausgrabungen läßt sich erkennen, daß über Generationen Frieden und Wohlstand herrschte, keine Kriege geführt wurden, bis diese Kulturen plötzlich durch den Einfall anderer, kriegerischer Völker ausgelöscht wurden. In diesen Hochkulturen wurde die Muttergöttin verehrt, das Priesteramt ausschließlich von Frauen ausgeübt. Gleichgeschlechtliche Liebesbeziehungen standen den heterosexuellen gleich. Das heißt nicht, daß in diesen matriarchalen Gesellschaftsformen die Frauen über die Männer geherrscht hätten. Frauen und Männer lebten friedlich zusammen. Die Priesterin erwählte sich einen Gefährten, der dadurch zum König wurde. Das weibliche Element wurde geachtet. Die Erbfolge verlief von der Mutter zur Tochter. Für die Mutter war es egal, welcher Mann ihre Kinder gezeugt hatte, deshalb war es völlig normal, daß die Frauen sich ihre Partner/in wählten - egal ob für eine Nacht oder ein ganzes Leben. Den Lebensunterhalt bestritten sie selbst, die Gemeinschaft sorgte für alle ihre Mitglieder.
In der patriarchalen Gesellschaft, die die friedliche Mutterkultur ablöste, gab es nun ein Problem. Wenn der Sohn den Vater beerbt, muß der Vater natürlich daran interessiert sein, sicher zu gehen, daß der Sohn seiner Frau auch wirklich von ihm gezeugt wurde. Also war es vorbei mit der Freiheit der Frauen. Ewige Treue war angesagt. Natürlich nur für die Frau, der Mann kann ja auch anderswo sein Erbe hinterlassen. Wichtig ist nur, daß sein Eigentum (Frau, Kinder, Haus und Hof) eindeutig markiert ist. Da ist es doch praktisch, es als Dogma hinzustellen, daß Frauen eh keine Lust am Sex haben, sondern nur den Mann befriedigen und seine Kinder empfangen, gebären und großziehen sollen!!! Kein weiter Weg mehr zur Verbrennung aufmüpfiger Weiber als Hexen, zum Deutschen Mutterkreuz und zum Verbot der Abtreibung, d.h. der Selbstbestimmung über den eigenen Körper, zur Klitorisbeschneidung und zur Pornographie, die Frauenkörper als jederzeit verfügbares Objekt darstellt. Hure oder Heilige, auf jeden Fall kontrollierbar.
Ich weiß, daß ich nicht zurück zum Goldenen Zeitalter kann. Aber ich nehme mir mein natürliches Recht als Frau heraus. Ich bestimme selbst und ganz allein, ob und wann ich Lust habe, mit einem Mann oder einer Frau zu schlafen, ob ich Kinder haben will oder ob ich eine zeitlang ganz allein bleibe.
Meine Liebe ist nicht an Besitz gebunden. Ich will niemanden „ganz für mich allein haben“, ich will nicht „versorgt und beschützt“ werden. Meine Menstruation ist weder schmutzig noch unrein, ich fühle mich an meinen „Tagen“ nicht unwohl, sondern sie sind für mich ein spirituelles Erlebnis meiner Frauenkraft, mich zu regenerieren und zu reproduzieren.
Erst in der Liebesbeziehung mit einer Frau habe ich erfahren, was Geborgenheit, Vertrauen und Verständnis wirklich bedeutet. Und was Extase ist.
Göttinnen und Priesterinnen
„Als Gott den Mann erschuf, übte sie nur“ - über feministische Witze kann leider nicht mal die Hälfte der Menschheit lachen, zu tief sitzt die Angst und das Vorurteil.
Gott ist für mich eine Frau. Warum? Nicht nur wegen der Ergebnisse der Archäologinnen, die Dutzende von vor-patriarchalen Kulturen ausgegraben haben. Auch, weil es für mich einfach logisch erscheint.
Frauen kriegen die Kinder. Unter Zuhilfenahme einer winzigen Samenzelle entsteht aus dem Ei im Körper der Frau das neue Leben. Selbst unter den widrigsten Umständen - Hunger, Entbehrungen, Vergiftungen während der Schwangerschaft kann der Embryo wachsen, ernährt sich aus dem Körper der Mutter ohne diesen auszuzehren. Auch ohne die Hilfe der großartigen Gynäkologen (schon immer und jetzt wieder) kommt ein Baby zur Welt. Die Mutter nährt es wiederum aus ihrem eigenen Körper. Wochen, Monate, jahrelang sogar. Frauen sind die Gebärerinnen jeder neuen Generation.
Frauen sind die Erfinderinnen. Frauen erfanden Sprache, Kunst, Ackerbau, Handwerk. Sie sind autark. Schaut Euch mal die heutigen Singles an. Wer kommt besser mit dem Leben zurecht? Wer ist in der Lage, gleichzeitig Kinder großzuziehen und für den Lebensunterhalt zu arbeiten? Wer kümmert sich um die Schwachen, wer stellt den Großteil der Kräfte in sämtlichen Hilfsorganisationen der Welt?
Da ist es für mich doch nur folgerichtig, daß es eine weibliche Kraft sein mußte, die die Welt mit allem, was da kreucht und fleucht, erschaffen hat. Auch die Menschen, Frauen und Männer. Männer, die vieles von dem, was sie heute tun, gar nicht nötig hätten, wenn sie sich auf die liebende Kraft der Göttin besinnen würden. Männer, die ihre Kraft, ihre Energie, ihre geistigen Fähigkeiten, ihre Potenz, ihre Lebensfreude und ihren Humor eigentlich stolz, natürlich und selbstverständlich genießen könnten, ohne sich ständig durch „Heldentaten“ wie Kriege, Vergewaltigung, Erfinden der Atombombe, Blondinenwitze und ähnliches selbst beweisen zu müssen. Ich liebe Männer, die in ihrer Natürlichkeit männlich sind. Aufrichtig, frei, spielerisch und liebevoll.
Die Göttin liegt allem zugrunde. Sie hat tausend Gesichter und Namen. Sie ist Shakti, die tanzende Verführung, sie ist Artemis, die Jungfrau mit Pfeil und Bogen, sie ist Demeter, die Kornmutter und Göttin der Fruchtbarkeit, sie ist Rhiannon, die die Seelen der Verstorbenen hinüberbegleitet in die Anderswelt, sie ist Hekate, die weise Alte und Cerridwen, die im großen Hexenkessel rührt und sich ab und zu in eine „wilde Sau“ verwandelt. Und sie ist Maria, die jungfräuliche Mutter Gottes. Im Winter feiern wir die Geburt des göttlichen Kindes, im Frühling sein Mannwerden, im Sommer seine liebende Vereinigung mit der Göttin und im Herbst seinen Abstieg ins Reich der Schatten, woher er in der längsten Winternacht neu geboren wird. Same procedure every year!
Das männliche Kind hat aber nicht die schwierige Aufgabe, die ganze Welt zu erlösen, und wir können auch nicht unsere „Sünden“ auf ihn werfen. Er erfreut die Göttin, so wie der Mann die Frau erfreut. Mit Lachen, Tanzen, Liebemachen, er steht ihr mit seinen männlichen Qualitäten als Sohn, Gefährte, als Geliebter, als König zur Seite. Und jedes Jahr erinnert er uns daran, daß auch wir alle einmal in das Reich der Schatten, in die Anderswelt gehen, sterben müssen. Und daß wir nach einiger Zeit wieder neu geboren werden.
Pan heißt der Gott und er spielt auf seiner Flöte. Neptun heißt er und wühlt mit seinem Dreizack das Meer (auch das der Gefühle) auf. Amor heißt er - und was der tut, weiß ja jeder. Und viele andere Namen und Eigenschaften hat er.
Ich bin eine Priesterin der Göttin. Ich trage nicht jeden Tag wallende Gewänder, schneide keine Misteln mit einem goldenen Messer, zelebriere keine Blutopfer und auch sonst sieht man mir das nicht an. Ich bin eine ganz normale Frau, berufstätige, alleinerziehende Mutter und falle kaum auf. Eine Priesterin bin ich, weil ich vor einigen Jahren ein Versprechen abgelegt habe. Ich habe gelobt, die Göttin zum Fixpunkt in meinem Leben zu machen. Ich begründe mein Denken und Handeln auf Liebe und Vertrauen. Ich vertraue darauf, daß die ganze Schöpfung, Menschen, Tiere, Pflanzen, Erde, Wasser, Feuer und Luft durch die Liebe der Göttin miteinander verbunden sind. Daß wir die Natur als ein Geschenk, nein eher eine Leihgabe zu sehen haben, mit der pfleglich und achtsam umgegangen werden muß. Ebenso achtsam und verantwortungsvoll wie mit unseren Mitgeschöpfen, ob Mensch oder Tier. Im Besonderen, daß alle Menschen gleiche Achtung verdienen, ob Frau, Kind oder Mann, ob rot, gelb, weiß oder schwarz. Ich weiß, daß ich dieses Ideal der allumfassenden Liebe nicht erreiche, daß ich selbst die Umwelt verpeste, oft ungerecht gegenüber anderen bin, manchmal halte ich mich für eine völlige Versagerin. Aber es ist dieser Weg, den ich gehen will. Und ich habe gelobt, jederzeit die Verantwortung für mein Tun und Handeln zu tragen. Ich will nicht mehr die Schuld für meinen Mißerfolg in Beziehungen meinen Eltern geben, die Schuld für meinen Geldmangeln den Umständen, die Schuld für alles mögliche irgendwem. Sondern ich weiß, daß ich selbst es in der Hand habe, mein Leben zu gestalten.
Und letztendlich habe ich als Priesterin die Fähigkeiten, anderen mein Wissen weiterzugeben - wenn das gewünscht ist. Ganz bestimmt werde ich niemanden missionieren. Wer sucht, wird dorthin geleitet, wo er findet. Oder zumindest andere trifft, die auf dem gleichen Wege sind.
Ich glaube
an die Große Göttin - Mutter Natur - die Jungfrau, Mutter, Weise Alte
und an ihren Sohn und Geliebten, den grünen Gott.
Ich glaube an die Einheit und Untrennbarkeit allen Seins, an die Verbundenheit der Menschen mit allem, was lebt.
Ich glaube an den ewigen Kreislauf des Lebens: Geburt - Initiation - Reife - Tod - Wiedergeburt
Ich glaube unverbesserlich an das Gute im Menschen - daß ein/e jede/r Verantwortung für sich selbst, sein Tun und Handeln trägt und die Macht hat, Dinge zu wandeln, zu verändern und zu verbessern - und daß hierin die Aufgabe unseres Lebens liegt: Zu erkennen, daß in uns die göttliche Kraft und die göttliche Liebe lebt, eben diese Kraft und Liebe zu leben und zu zeigen und damit die Welt nach dem Muster der Liebe zu gestalten - jeden Tag von Neuem.
Was uns allen fehlt, das ist der Glaube an uns selbst, die Liebe zu uns selbst und das Vertrauen in die eigene Kraft und Mächtigkeit, der Stolz. Warum sonst lassen sich Arbeitnehmer mobben und ausbeuten, Ehefrauen schlagen und ganze Völker versklaven?
Verbundenheit
Ich spüre die Verbundenheit mit der Erde. Lasse meine Wurzeln in ihren warmen weichen Grund wachsen und fühle die Schmerzen, wenn Bagger Wunden in meine Haut reißen, um an die Schätze zu gelangen, die darunter liegen. Es schmerzt der tiefe Pflug, der Furche um Furche kilometerlang und schnurgerade in mich ritzt. Ersticke, zubetoniert und -gepflastert, fühle, wie meine Oberfläche verätzt wird durch giftige Substanzen, die durch meine Poren in mich eindringen - und irgendwann, in rasendem Schmerz, den mir das Brennen meiner Wälder zufügt, wehre ich mich. Bewege mich, bebe, spucke Feuer aus Kraterpickeln.
Aber ich spüre auch die liebende Hand des Gärtners, der behutsam meine Krume lockert und mit Mulch bedeckt, damit ich nicht austrockne. Ihm schenke ich die schönsten Früchte. Dankbar nehme ich jedes junge, frisch gepflanzte Bäumchen an, umsorge es und lasse es wachsen. Voll Freude spüre ich tanzende nackte Füße auf meiner Haut und höre die Lieder, die mir meine Würde zurücksingen.
Träumend in der ausebbenden Brandung des Meeres liegend, werde ich selbst zu Wasser. Übelkeit kommt in mir hoch, ich schmecke den bitteren Geschmack der Laugen und Säuren, die sich in mich ergießen, das schleimige Öl und die ekelerregenden Exkremente. Tosen und toben will ich, um mich zu reinigen, um den klärenden Sauerstoff aus der Luft zu verschlingen - aber die Abwässer kommen schneller, als meine Reinigungskraft mich regenerieren kann.
Übellaunig bin ich - eingesperrt in zwei Betonwände - kanalisiert, gebändigt, nutzbar gemacht. Ich will meine fruchtbaren Massen in die Felder ergießen, die Gräben mit Leben füllen und die Mühlräder zum Plaudern bringen. Doch die Turbinen schweigen.